Berliner Straßenschilder

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Joy-Kappe von Joy Fox
mit Wühlischstraße (Variante Ost) und Sonntagstraße (Variante West)

In Berlin sind auch nach 25 Jahren Wiedervereinigung noch zwei Grundformen von Straßenschildern sichtbar. Das gilt vor allem für den Ostteil der Stadt. Denn wie auch in anderen Fragen betrifft die Verdrängung im Straßenbild vor allem die östliche Variante. Wo immer ein altes Schild ersetzt wird, kommt die Westvariante zum Zug. Darüber hinaus hat es allem Anschein nach im Osten an den Straßenecken oft nur 2 statt der im Westen üblichen 4 Schilder gegeben. Da die Lücken im Ostteil nun suksezzive aufgefüllt wurden, sind häufig beide Varianten auf gegenüberliegenden Straßenseiten zu beobachten.

Der Unterschied zeigt sich sowohl in Form und Material des Schildes als auch in der Schrifttype. Im Westen wurden nach dem zweiten Weltkrieg weiterhin Metallschilder mit Emaillie beschichtet und zwar mit einer Schrifttype, die in den 1930er Jahren entwickelt wurde (Verantwortlich soll dafür Herbert Thannhaeuser, so seine Frau Gertrud 1992, in Wikipedia wird das als nicht geklärt bezeichnet – Thannhaeser). Im Osten – so erklärt es Verena Gerlach in einem Interview mit der Berliner Morgenpost 2014 – stand der Materialmangel Pate bei der Form und Gestaltung der Straßenschilder. Das emaillierte Metall wurde durch einen günstigeren dreifach geschichteten Kunsstoff ersetzt. Die äußeren weißen Sichten wurden gefräst und legten so die schwarze mittlere Schicht frei. Der Kunststoff war ähnlich wetterunempfindlich wie die emaillierten Metalle, jedenfalls aber weniger empfindlich als der heute eingesetzte Siebdruck, von dem zuweilen nach mehrjähriger Sonnen- und Wettereinwirkung nur noch wenig zu erkennnen ist.

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Mainzer Straße – Friedrichshain und Wilmersdorf
Oberer Bildausschnitt von Nicor – Deutsche Wikipedia, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=562098

Die im Osten entwickelte neue Schrifttype, die es nach Gerlach in zwei Varianten gab – abhängig von den verwendeten Fräsen – ist wesentlich schmaler, was unter anderem mit den üblichen längeren Straßennamen wie Allee der Kosmonauten zu tun haben soll. Die in Ost und West eingesetzten Schriftarten sind von den Schriftfontentwicklern Verena Gerlach und Ole Schäfer dokumentiert und zu den Schriftfamilien CST Berlin-West und CST Berlin-East verdichtet worden (CST steht für City Street Type).

Besonders auffällig am West-Font ist das markante ß, das wie eine Ligatur (die Verbindung zweier Buchstaben zu einem Zeichen) zusammengesetzt ist. Die Buchstabenbreite ist im Ostschild erkennbar schmaler; der Buchstabenabstand im Westen bei ähnlicher Wortbreite folglich geringer. Das M weitet sich nach unten und das a sowie das e bilden Bäuche aus. Die West-Schrifttype kennt als weitere markante Ligatur das zusammengefügte tz, das in der Ortsbezeichnung Platz häufig – aber nicht immer – eingesetzt wird.

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Im Westen Berlins, aus dem das Beispiel vom Prager Platz stammt, „tobt“ – so scheint es jedenfalls – in den Verkehrsbehörden ein heimlicher Streit um die Schrifttype. So gibt es in Schöneberg, also West-Berlin, einige Straßen die sowohl in CST-Berlin West wie CST-Berlin East daher kommen (Beispiele sind etwa die Crellestraße, die Hauptstraße, die Belziger wie auch die Augsburger Straße u.a.)

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Vor allem aber „tobt“ ein Streit um die Ligatur tz. Wo auch immer ein tz vorkommt, kann man fast sicher sein, dass verschiedene Schreibweisen vorkommen. Beispielhaft soll hier nur die Lietzenburger Straße gezeigt werden.

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Neben diesen eher markanten Auffälligkeiten zeigen sich Feinheiten etwa in der Schreibweise des y, die in der Friedenauer Handjerystraße in drei Varianten vorkommt. In senkrechter oder schräger Verlängerung des y, die zum Teil gebogen vorkommt (etwa auch in der Nymphenburger Straße). Z.T. wird in manchen Fällen als weitere Ligatur ch genutzt (z.B. in der Eisenacher Straße).

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siehe auch im Korkmännchen-Blog → Vornamen auf Straßenschildern